Montag, 7. Juni 2010

Meine ersten Tage...

2.6.10:

1.Tag : Wir sind von Addis nach Jimma geflogen, das Wetter war eigentlich angenehm warm nd in Jimma hat uns dann gleich der Kindergarten, der an dem Tag Ausflug an eben den Flughafen hatte empfangen. Eine Horde in Orange Sicherheitswestchen gekleidete, winkende Afrikaner zwischen 4-6 Jahren. Was für ein Empfang! Abgeholt worden sind wir von Linda, die als einzigen Fahrer den chirurgischen Spitaldirektor, Dr. Chuchu, aufgetrieben hatte--absolut sensationell :o) Und unser Fahrzeug war ein Ambulanzwagen, nicht ganz rostfrei, in den dafür unser ganzes Gepäck problemlos gepasst hat ;o)


Die erste Fahrt durch die Stadt...sehr wenig Asphalt, viel staubiger, Sand-Lehmboden, eher eine Buckelpiste. viele Baracken, kaum Häuser, aber dafür brodelt das Leben hier. Überall sind Kühe, Pferde und Schafe auf der Strasse, die unter keinen Umständen angefahren werden dürfen, was für die ebenfalls streunenden Hunde und Katzen nicht gilt!!!! Und sie fahren hier mit ihren Minibussen und Bajajs (afrikanische Tuktuks wie die Henker-und das ist noch untertrieben)..selbstverständlich sind auch noch genügend Eselskarren unterwegs, die mal links, mal recht überholt werden.

Momentan sind wir im Hotel untergebracht bis in unserem Häuschen wieder ein bischen mehr Platz ist, passender Name des Hotels: "Honeyland"

Nach kurzer Rast dann mit einem der hier üblichen völlig überfüllten Taxibusse ( normal für 9 Personen, meistens mindestens 20) ins Hotel Jimma Central zum Einstiegskaffee und anschliessend auf den Mercato. Der ist wie man sich einen afrikanischen Markt vorstellt. Es gibt einfach alles vom Gemüse, Kleidung, Handwerker, Möbel -wenn man das so nennen will, etc. meistens nach Strassen geordnet. Ein einziges Gewusel. Und als Weisse ist man hier einfach die Sensation, ob jung oder alt man ist einfach "You" und so halt einem ein hundertfaches "youyouyouyouyouyouyouyou.........." hinterher und für die Kids ist nichts schöner als einem die Hand zu geben...aber wehe man hat einmal angefangen...

Auf demRückweg haben wir dann Jimmas grössten Fussballfan getrofffen "You know Ballack?", und so haben wir gleich am ersten Tag Einblick in die Fussballbar Jimmas erhaltern, das "Yellow Dream" und uns für die Fussball-Wm schon mal eingeladen.
Abends waren wir dann mit einem Haufen Einheimischer und Forenjees, wie hier alle Weissen genannt werden in einem wunderbaren einheimischen Lokal essen, das erste mal das äthiopische Nationalgericht, Injera mit allem möglichen Fleisch.
Gegessen wird hier immer mit der Hand und zwar mit der rechten, gaaanz wichtig......

3.6.10
1. Tag im Spital, ja was soll ich sagen unbeschreiblich. Das Spital selber ist initial von den Italienern im Krieg fürs Militär erbaut worden und eigentlich hat sich seither nichts, aber auch gar nichts geändert. Die unfallchirurgische Station, die hier orthopädischer Ward heisst verfügt über 6 Zimmer a 8 Betten, und einen Korridor auf dem eine nicht immer genau def. Anzahl Patienten liegt, meistens so um die 10. An in und um die Patientenbetten befinden sich 2-5Angehörige, die sich um die Patienten kümmern, dieSchwestern und Pfleger so wie wir sie kennen sind zwar vorhanden aber praktisch inexiastent. Die Station wird von ein paar Interns versorgt, aber ich bin noch nicht ganz schlau, ob es sich hier um Studenten oder junge Assistenten handelt, aber ich befürchte zweiteres. Freundlich sind alle, aber nur die wenigsten kann man zu effektiver Mithilfe bewegen.
Was da auf der Station so liegt gleicht einem Gruselkabinett, das meiste sind Pat. mit verchleppten, teilweise Monate!!! offenen Frakturen die jetzt eine chronische Osteomyelitis haben,d.h. der Eiter läuft einfach mal aus dem Knochen und bahnt sich seinen Weg, wohin auch immer. Viele der Patienten sind Kinder, das jüngste momentan ist 1 1/2. Alle Patienten über 60 sind uralt....

Die hygienische Situation ist sehr gewöhnungsbedürftig, Wechseln der Bettwäsche erfolgt alle paar Wochen bis Monate, egal wieviele Patienten seither mit welchen grusig sezernierenden Wunden seither darin lagen ( Bettwäsche heisst hier eine muntere Ansammlung verschiedenster Wolldecken). Dementsprechend kann man sich vorstellen wie der Grundgeruch hier so ist. Ein Kollege hat in mit dem Affenkäfigen im Zoo verglichen und das triffts eigentlich erstaunlich gut....

Der OP...wir haben das Glück, dass unser Saal relativ gross ist, die chirurgischen Säle (2 Stück) sind in etwa die Hälfte von unserem, dafür ist er ein bischen ab vom Schuss ca 2 Ecken und 30m weiter vom Aufenthaaltsraum incl. Fernseher entfernt und daher ist vor und auch -während der Op, sowohl, die Pflege wie auch die Anästhesie, wie auch die Assistenten nicht immer gleich greifbar oder plötzlich verschwunden.......

Die Operationen selber....naja semisteril triffts wahrscheinlich ganz gut, Material ist eigentlich vorhanden, wenn auch eine bunte Mischung aus allem. Das bedauerlichste ist aber, dass der BV, also unser mobiles Röntgengerät zwar vorhanden, aber seit knapp 1 1/2 Jahren kaputt ist und scheinbar nicht reperabel. Somit werden traumatologische Routineeingriffe zur echten Herauforderung.......
Ansonsten ......werden die Mundschutze, Hauben und Bauchtücher schön gewaschen und dann an langen Leinen in der Sonne zum Trocknen aufgehängt. Unsere -eigentlich-Einwegmundschutze tragen wir den ganzen Tag und müssen sie dan,n wenn wir sie wegwerfen, völlig zerfusseln, weil sie sonst aus dem Abfall gefischt und bis zum St. Nimmerleinstag weiter benutzt werden....

Was ganz was tolles ist die Cafe-Lounge, eine völlig abgehalfterte türkis-grüne Baracke -die den besten Kaffe von Welt hat und eigentlich ur-gemütlich ist, mann muss blos aufpassen, dass einem die wirklich leckeren Egg-Sandwiches weder von Geiern noch von Affen aus der Hand geklaut werden.....


Abends Pizza!!!!! und Pommes mit wieder einem bunt gemischten Deutsch-Kanadisch-Belgisch-Schweizerisch-Holländisch-Äthiopischen Haufen.

4.6.10
Heute ist es das erste mal Ernst geworden für mich im OP. Nach meinem ersten offiziellen Morgen-Rapport-sämtliche Assisstentenaussagen hätten bei uns zur sofortigen Aberkennung sämtlicher ärztlichen Befugnisse geführt- habe wir zufällig auf dem Korridor eine Pat mit Bullet-injury -natürlich Kalaschnikow und natürlich schon 4d alt-mit Durchschuss des proximalen Femurs (oberer Oberschenkel) mit entsprechender Zertrümmerung"gefunden". Die fallen hier scheinbar vom Himmel auf unsere Station, da im Rapport unter Neueintritten nichts berichtet worde..soviel zur Assistentenqualität, ABER Ausnahmen bestätigen die Regel, es gibt schon eine Handvoll wirklich bemühte und gute Assis.
Die Versorgung war sozusagen meine Jungferntaufe hier, jetzt bin ich ja mal auf die postop-Röntgenbilder gespannt, da wir ja währender OP diesbezgl "blind" operieren.....


Ach ja noch so ein Eigenart hier.. es gibt äthiopische Zeit: Und nach der ist heute der 27.9.02 und statt 22:00 Uhr 4a.m. (hier gilt der julianisch Kalender).....
Abends hat uns dann das erste Mal so richtig ein voller Regenguss erwischt. Es ist jetzt die sog. kleine Regenzeit, die grosse beginnt dann im Juli und bisher hat es so 2-3x am Tag für ne halbe Stunde geregnet5. Aber heute waren in Sekunden die Strassen Schlammbäche und wir nicht nur nass sondern auch völlig verschlammt. Im Haus angekommen haben uns Linda unf Frederike erzählt, dass sie vor der Haustür mit dem Messer angegriffen worden sin, sich dank der sofortigen Gegenwehr von Linda mit ihrem Regenschirm aber retten. konnten. Darauf haben wir uns von Ben nach Beendigung des Regens als Begleitschutz mit Machete zum Hotel bringen lassen, was eigentlich nur knapp 400m entfernt liegt....

5.6.10:
Heute war volles Programm incl Sightseeing angesagt. Zuerst haben wir uns mit der altbewährten internationalen Mischung am Bus Terminal von Jimma getroffen um dann mit einem local Bus nach Seka zu fahren. Die Busfahrt an sich ist schon ein Erlebnis, ich hab die Fahrzeit hin ca 1-1 ½ genutzt um mal wenigsten von 1(and) -10 (assir) zählen zu lernen. Selbstverständlich hat sich der ganze Bus bemüssigt gefühlt mich beim Lernen zu unterstützen. Dort angekommen haben wir dann eine Wanderung zu einem wunderschönen Wasserfall gemacht, zu dessen Füssen man auch baden konnte…ich war zu feige –die Schistosomen grüssen-und hab mich nicht getraut ;o).


Wie immer wenn man hier abseits unterwegs ist schliesst sich eine Horde Kinder an um einen zu begleiten und anzuschauen. Abgeschlossen haben wir unseren Ausflug mit einer äusserst gemütlichen „tej“-Rundein einer einheimischen „Kneipe“ , einem einheimischen Honigwein mit wechselndem Methanolgehalt…..man sollte mit dem Trinken nur abwarten bis sich die Ausflockungen an den Glasboden gesetzt haben :o)


Für den Rückweg haben wir dann eine kleinere Busversion erwischt, man knan schon fast sagen einen Sprinter der in knapp 40 min zurück in Jimma war….echte Kammikazefahrt, aber nicht ohne einen hohen Unterhaltungswert.

Zurück in Jimma hat uns Thomas noch die mission of charity gezeigt, dort leiten acht Schwestern von Mutter Theresa die Mission mit knapp 400 Betten. Was Sauberkeit, Hygiene und Menschlichkeit angeht ein Lichtjahr, wenn nicht Lichtgalaxien Unterschied zu unserem Krankenhaus. Mal schauen, wenn ich Zeit hab wird ich dort vielleicht 1x im Monat kleine Operationen ambulant durchführen, aber da muss ich erstmal meinen eigenen Rhythmus gefunden haben und das dauert noch……

Abends dann noch Verbandsvisite im Spital, wir haben nur alkoholhaltige Lösungen zum desinfizieren und säubern der Wunden –es ist unbeschreiblich wie V.a. die Kinder hier schreien, man fühlt sich selber hundeelend sie so zu quälen…und Schmerzmittel gibt es hier auch nicht, maximal 1 Zäpchen Paracetamol.

3 Kommentare:

  1. Danke für die ersten Eindrücke, da bin ich mal gespannt, wie die restlichen 180 Tage verlaufen werden

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  2. Meine liebe Steffi,

    ich bin von Deinem ersten Bericht schon sehr beeindruckt und natürlich auch sehr ergriffen. Da ich ja selber Kinder habe, musste ich bei Deinem letzten Abschnitt weinen. Ich wünsche Dir alle Kraft um Deinen Aufenthalt zu durchstehen und ich weiß, daß Du Deinen Teil an dem (hoffentlichen) Glück Deiner Patienten beiträgst.
    Ich drücke Dich ganz fest und bin gespannt auf Deine weiteren Berichte.
    Deine Nane

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  3. hallo liebe steffi, die hitze und schwuele in muenchen steht der bei euch im moment vieleicht nicht viel nach. aber sonst ist sicherlich alles ganz anders bei dir. wow, das ist eine andere welt. geniesse die erfahrungen. und pass auf dich auf! wir werden deine abenteuer und eindruecke weiter gespannt verfolgen. liebe gruesse, christin & christoph

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